Mt. Beerwah - Der Unbezwingbare
Und weiter ging es entlang einer asphaltierten Landstraße immer Richtung der Berge. Links und rechts waren ausschließlich Apfelplantagen zu erkennen. Ansonsten deutete hier nichts darauf hin, dass irgendwo Menschen zu finden sein würden. Nach einer Abbiegung, oben auf einem kleinen Hügel, konnte ich eine Straßenbaustelle erkennen. Hier wurde mit einem Bagger der Straßengraben bereinigt. Dafür benötigt man in Australien fünf Leute. Für mich als Effizientsjunkie, war das einfach unglaublich. An jeder Baustelle in Australien, welche den Verkehr einschränkt, stehen jeweils auf einer Seite dieser eine Person, welche ein Schild hoch hält auf dem entweder "Slow" oder "Stop" steht. Haben die denn hier noch keine Ampeln erfunden? Vermutlich doch, denn ich habe schon welche gesehen. Ein anderer, vermutlich der Supervisor, steht auf der Straße und schaut was so los ist. Das kennen wir ja von Zu Hause, allerdings haben diese scheinbar keine weiteren Aufgaben. Da würde sich bei uns sicherlich was finden lassen. Der Rest, einer sitzt im Bagger, der Zweite im LKW, arbeitet. "Hier kann man doch Arbeitskräfte und Geld einsparen", war mein Erster Gedanke. So deutsch bin ich dann doch und so sehr der ehemalige Bauleiter. Man sieht immer das optimierungspotential und nicht die Menschen dahinter. Das ist das, was ich die letzten Jahre gelernt habe. Allerdings benötigt man doch auch Arbeitsplätze für Leute die nichts Anderes kennen. Zu Hause wären diese arbeitslos. Des Weiteren läuft es hier generell ruhiger ab. Die Menschen werden nicht bis oben hin mit Arbeit vollgepumpt, das sie es nicht bis zur Rente schaffen können. Oder nehmen Sie sich das nur nicht so an wie unsereins?
Man kann sicher sein, dass in Deutschland bereits eine Horde von Lobbyisten bei der Straßenbehörde auf der Matte gestanden hätte, wenn wir "sinnlos" Arbeitskräfte zur Verkehrssicherung einteilen würden oder das Management für den Supervisor neue Aufgaben für nebenbei kreiert hätte um Arbeitskräfte zu sparen. Was denkst du denn darüber?
Auf einem kleinen Hügel angekommen führte ein Weg nach rechts, welchen ich plante einzuschlagen. Entgegen der Karte, auf der es nach einer ganz normalen Straße aussah, war hier nur noch ein Sandweg anzutreffen. Das würde die nächsten Stunden auch so bleiben. Der Weg wurde immer schmaler und verwandelte sich langsam in eine Kleinen Trampelpfad. Es fühlte sich langsam nach meiner ersten Outbackerfahrung an, obwohl ich nicht weiter als 10 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt war. Staubige, heiße, sandige Pfade schlängelten sich durch trockene Baumlandschaften, immer weiter ins Innere des Landes und Richtung des Berges. Nach ein paar Stunden Fußmarsch durch diese unwirkliche Gegend, war der Berg auf den ich wollte, Mt. Beerwah, mit seinem steilen Aufstieg fast direkt vor mir.
Die Straßen wurden wieder breiter, wenn allerdings auch nicht von Anderer Beschaffenheit.
An der rechten Seite standen überall Schilder, dass es sich hier um Privatland handelt, welches man nicht betreten darf. Die Europäer kamen also vor zirka 150 Jahren hierher, nahmen sich das Land von den Ureinwohnern und heute darf es kein anderer mehr betreten? Wer gibt diesen Menschen das Recht darauf, dieses Land für sich zu proklamieren? Wenn das nicht alles so unglaublich Obszön wäre, könnte man fast darüber lachen. Falls so ein Schild jemand aufstellen darf, sind es doch die Jinibare, welche für diesen Teil Australiens die Ureinwohner darstellen.
Kurz darauf erreichte ich den Weg zum Aufstieg des Berges. Weit und breit war niemand zu sehen, was mich bereits ein bisschen stutzig machte, da am vorherigen Berg der Parkplatz gut gefüllt war. Des Weiteren erwartete mich ein Schild, welches von einem drei bis vier stündigen gefährlichen Aufstieg warnt. Gut, soviel Zeit hatte ich noch bis es dunkel wurde und ich habe zu Hause schon oft solche Schilder gesehen, die einen einfach abschrecken sollen. Also machte ich mich auf den Weg. Ein paar steinigen Metern und ein paar Treppen später, stand ich vor einer Felswand. Es ging mindestens 50 Meter mit leichter Neigung, nach oben. Es war einfach eine Kletterwand. "Die meinen es hier ernst mit Ihren Aussagen", schoss mir in den Kopf. Aber probieren wollte ich es trotzdem, denn ich hatte ja Zuhause fleißig bouldern geübt. Also Mut zusammennehmen und los. Die ersten Meter waren einfach doch dann fing es an knifflig zu werden. Ich hatte natürlich meine wuchtigen Wanderschuhe an und keine Kletterschuhe weit und breit. "Barfuß?", dachte ich, was ich aber schnell wieder verwarf. Die Steine waren nicht sonderlich scharfkantig, dafür aber rutschig. Nach zirka der Hälfte des Weges kam ein wirklich kompliziertes Stück, da es dort wirklich nur eine Greif- und Steigmöglichkeit gab. Mit Mühe und Not konnte ich diese Überwinden, wobei ich mir dann nach und nach bewusst wurde, das der Aufstieg zwar machbar wird, aber der Rückweg jeden Meter schwerer zu handeln ist. Deswegen entschied ich mich, den Rückweg anzutreten und unvollrichteter Dinge abzuziehen. Es ist immer sehr schwer die Oberhand über seinen inneren Schweinehund zu behalten, der einem immer sagt: "Nun bist du schon so weit gekommen, der Rest ist doch ein Kinderspiel." Aber es gibt einfach keinen Point Of No-Return. Man kann immer umkehren und muss das auch tun, wenn man das Gefühl hat, das einem Etwas nicht gut tut oder die Risiken die Chancen übersteigen. Auch wenn man kurz vorm Ziel ist, muss man versuchen die Momentane Situation zu analysieren und nicht dem Ego vertrauen. Das liegt dann nämlich meistens falsch. Wieder unten angekommen, was wirklich deutlich schwerer war als gedacht, war ich kurz gefrustet, weil ich abbrechen musste. Auf der anderen Seite war ich froh, dass ich es versucht habe und wieder gelernt habe mir selbst, auch in schwierigen Situationen zu vertrauen und im richtigen Moment die Reisleine zu ziehen. Auf dem Rückweg entdeckte ich ein Schild, das die Ureinwohner , aus religiösen Gründen den Berg nicht besteigen und die Touristen bitten, sich daran zu halten. Für Sie ist der Berg die Urmutter. Vielleicht hat diese mich ja am Aufstieg gehindert, wahrscheinlich eher nicht. Allerdings habe ich mich an den Rat gehalten und den Berg nicht bestiegen, wenn vielleicht auch aus anderen Gründen.
Bald war ich wieder auf der großen Straße angelangt, welche zeitnah wieder zu einer richtigen Asphaltstraße wurde. Es eröffnete sich ein wunderschöner Blick auf den nahestehenden Berg.
Die restlichen 15 Kilometer gingen durch Ortschaften und über Berge. Ab und zu kam ein Auto viel zu laut und viel zu schnell die kurvigen Landstraßen hoch geschossen, weshalb ich mich nicht wirklich wundern brauchte, keine Koalas zu sehen. Kurz verlief ich mich, da ein Weg zwar auf eine Karte, aber offensichtlich nicht in der Welt existierte. Ein Durchschlagstraining hielt ich hier für weniger angebracht, da es definitiv Schlangen gibt und ich nicht weiß wo und wie und wann. So ist das halt in einem anderen Land. Nach 4 Stunden erreichte ich dann die Bahnstation, welche einfach völlig leer war. Diese befand sich in einem kleinen Dorf, welches grob aus 12 Häusern Bestand. Ich vermute, dass sich die Population des Ortes mindestens verzehnfacht, wenn hier ein Zug anhält. Glücklicherweise musste ich auf den Nächsten nicht lange warten, denn es hatte angefangen in strömen zu regnen und es gab keine wirkliche Unterstellmöglichkeit. Stockfinster war es noch dazu. Allerdings hatte ich mein Regencape unter dem es warm war und ich dem Regen bis zum Eintreffen des Zuges lauschen konnte. Heute Abend würde ich wie ein Stein schlafen, soweit war ich mir sicher.
Vielen Dank fürs Lesen und für die gute Begleitung auf meinem Weg.
Liebe Grüße,
Paule.
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