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Roadtrip durch Australien - Mt Kosciuszko

Plötzlich in den Alpen. Über Zeit und Prioritäten.
Roadtrip durch Australien - Mt Kosciuszko

Die Nacht war nicht wirklich lang. Am Morgen weckte mich ein aufgeregt schreiender Papagei. Aber ich realisierte: Ansonsten gab es keine Geräusche außer dem Rauschen eines nahegelegenen Flusses und dem rascheln der Bäume im Wind. In Deutschland war es mir nicht gelungen, selbst weit weg vom Schuss, eine absolute Abstinenz von menschengemachten Geräuschen zu erleben. Irgendwo in weiter Ferne hört man fast immer ein Auto, eine knisternde Stromleitung, ein Flugzeug oder einfach nur Menschen.
Ich bewegte mich schlaftrunken aus dem Zelt und war irgendwo im Nirgendwo. Wenn man nachts sein Zelt im Nichts aufschlägt, hat man oft keine Ahnung. wo man sich eigentlich befindet. Das stellt man dann erst fest, wenn man bei Tagesanbruch seine Koje verlässt. Die Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht in sehr angenehmer Weise. Ich befand mich in einer Art Waldstück mit zahlreichen großen Gummibäumen. Weiter unten war die weiche Silhouette eines vorbeifließenden Gebirgsflusses zu erkennen und überall waren Berge. Wir waren also doch in den alpen-ähnlichen Gefilden, wie ich bereits vorher vermutet hatte.
Unser Freund brach bereits um 7 Uhr auf, ohne dass ich es mitbekommen hätte. Ohne uns. Wir schliefen wenigstens bis 10 Uhr. Bart hatte verstanden, auf was ich hinauswollte. Man muss nicht durchs Leben rennen. Man muss nichts hinterherlaufen, von dem man noch nicht einmal weiß, was es ist. Das Wichtigste ist, dass man eine gute Zeit hat und sich von niemandem unter Druck setzen lässt. Vor allem nicht, von sich selbst.
Nach einem guten Frühstück, sollte es weiter gehen. Über Hügel, Berge, vorbei an Flüssen, Bächen, Wasserfällen und gigantischen Aussichten. Immer wieder stoppten wir einfach irgendwo um Fotos zu machen. Man konnte das Auto schließlich einfach auf der Straße stehen lassen. Es kam sowieso kein anderer vorbei.


Zirka drei Stunden vergingen, bis das Abenteuer "Fahren im Nirgendwo" dann auch wieder vorbei war. Ein bisschen erleichtert, ein bisschen traurig, kamen wir wieder auf einer Asphaltstraße an. Es sollte auch der letzte Tag meines Roadtrips werden, da ich am übernächsten Tag bereits einen Flug von Melbourne nach Christchurch, Neuseeland, gebucht hatte. Dort sollte meine wirkliche Reise erst beginnen.
Um nach Melbourne zu gelangen, mussten wir erst einmal nach Canberra, der Hauptstadt von Australien, gelangen. Diese Stadt ist die größte Stadt Australiens, die nicht an einer Küste liegt. Es ist eine komplett geplante Stadt, welche vor nicht allzu langer Zeit einfach auf dem Reisbrett entworfen wurde. Außer der Regierung gibt es dort nicht viel oder besser gesagt nichts. Vielleicht ist sie deswegen auch so wirklich, wirklich hässlich.
Vorher wollte Bart aber auch noch unbedingt auf den Mt. Kosciuszko, wohin wir uns dann schnellstmöglich bewegten. Nachdem wir das erste Mal seit vielen Kilometern und Stunden im Auto wieder eine Art Stadt sahen, mussten wir erstmal tanken und uns einen Kuchen gönnen, so als Ausgleich für die interessanten Wildnis Erfahrungen. Wir machten eine kurze Rast an einem kleinen See und begegneten zum ersten Mal am heutigen Tag Menschen. Ein kurioses Gefühl, selbst nach dieser kurzen Abstinenz. Also schnell wieder ab auf die Piste, nach dem die köstliche Leckerei mit Ausblick verspeist wurde.
Es sollte nur noch zirka 1 Stunde Fahrt sein. Nach einer halben sahen wir aber etwas Merkwürdiges. Eine Mautstation mitten auf der Straße. Aha. Um hier durchzufahren muss man also etwas bezahlen. Hatten wir bis jetzt auch noch nicht. Mit etwa 10 Euro schlug das zu Buche, was schon ein wenig eine Touristenabzocke zu sein schien.
Kurz danach kam das erste Schild, auf welchem vor Schnee und Eisglätte gewarnt wurde.
"Was? Winter in Australien? So etwas gibt es? Da haben mir aber die ganzen Fernsehsendungen etwas Anderes erzählt."
Aber ja natürlich gibt es sowas. Wir waren ja schließlich gerade auf dem Weg zum höchsten Berg, welcher mit 2228 Metern zwar - für europäische Verhältnisse - nicht wirklich groß war, aber immerhin.
Dort angekommen liefen wir erstmal zum Sessellift, denn auch sowas gibt es hier. Im Winter ist das hier einfach mal ein Skigebiet. Kleiner als zum Beispiel der Keilberg in Tschechien, aber für australische Verhältnisse doch recht groß. Der Ort sah wie eine große Touristenfalle aus. Überall wurden teure Touren und alle möglichen anderen Outdooraktivitäten angeboten.
Bart wollte sehr gerne dort hochfahren, aber das wollte ich absolut nicht. Auf einen Berg mit dem Lift zu fahren, um dann dort oben zu wandern, widerspricht irgendwie meinen Einstellungen.
Aber zum Glück überzeugte der Preis Bart dann auch, lieber zu laufen. Also nichts wie rauf, rauf auf den Berg, denn der rief ein wenig nach uns. Ich kundschaftete den Weg auf meiner Karte aus und ich war mir sicher, dass es der richtige war.

Aber Bart zweifelte sehr stark daran. Damals dachte ich, dass er meine Kompetenz anzweifelt und deshalb reagierte ich sehr gereizt. Heute weiß ich, dass er einfach nur meinen Rat vom Vortag befolgt hat und seinen eigenen Weg suchen wollte. Im Nachhinein ist man halt immer schlauer.
Warum ich aber dann nicht geduldiger mit ihm war und so negativ reagierte, war mir nicht klar. Vermutlich projizierte ich seine Zweifel auf mich selbst, wie ich es früher immer getan habe. Zweifelt jemand anderes an einem, zweifelt man selbst an sich. Denn man neigt dazu, sein Selbstbild über Andere zu holen, weil man sich keine Zeit nimmt, über sich selbst bzw. wer man ist und sein will nachzudenken. Eigentlich dachte ich, dass ich darüber hinwegwäre. Denn ich war der Meinung, dass ich sehr selbstreflektiert bin. Da war es auf jeden Fall gerade nicht so. Aber auf Reisen scheint es immer etwas Anderes zu sein, als innerhalb der eigenen Komfortzone. Interessant, das selbst zu beobachten. Ich habe gerade mal meine Aufzeichnungen dazu angeschaut und dort habe ich versucht, mein Verhalten damit zu begründen, dass ich es als Zeitverschwendung empfand, darüber zu diskutieren. Das ist aber nur eine Rechtfertigung sowie ein trainierter Selbstschutzmechanismus und stimmt absolut nicht, denn Zeit war das Einzige, was ich dort - und auch jetzt - mehr als genug habe. Besser gesagt, kann man sich für die wichtigen Dinge im Leben, welche einen glücklich machen, mehr Zeit nehmen. Denn Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich. Und ist es das nicht immer wert, wenn man sich damit persönlich weiterentwickeln kann? Was denkst du darüber? Laber ich nur Mist oder ist da ein Fünkchen Wahrheit dran?
Jedenfalls erreichten wir dann irgendwann das Liftende. Es war nicht wirklich weit, aber steil. Danach sollte es noch ein paar Kilometer weiter über eiserne Stege in triste Landschaften gehen, um den Aussichtpunkt auf dem Berg zu erreichen. Bis hin würden wir es aufgrund des fortschreitenden Tages nicht mehr schaffen.

Am Aussichtspunkt angekommen trafen wir Mount Kosciuszko. Er winkte uns von Weitem trotz seiner schlichten Gestalt. Er war nicht wirklich von großer Statur und sah auch nicht höher aus als seine Nachbarn. Dennoch war es der größte in seiner Familie. Und darum geht es doch manchmal.

Der höchste Erhebung Australiens ist der zweite Hügel von links. Sieht nicht hoch aus, ist er aber.

Im nächsten Post steht eine interessante Begegnung an. Des Weiteren geht es über Canberra zurück nach Melbourne. Danke dir für´s Dabeisein und einen schönen Tag wünscht,

Paulgoesworldwide.