Melbourne - National Art Gallery of Victoria

Natürlich würde ich keine Zeit in einer Stadt verbringen, ohne wenigstens zu versuchen, alle Museen zu sehen. Da es in Melbourne allerdings so viele davon gab und ich so schnell wie möglich wieder aus der Stadt hinauswollte, wie du vielleicht im letzten Artikel lesen konntest, konnte ich mich nur für eins entscheiden. Wie nicht anders zu erwarten, würde es die Kunstgalerie werden.
Die letzten Tage, bevor ich begonnen habe das hier zu schreiben, war ich die ganze Zeit der Ansicht, dass ich mich nicht mehr an das Museum erinnern kann. Es ist schließlich schon zirka fünf Wochen her, wenn nicht gar mehr. Die Zeit ist mir auf Reisen abhandengekommen und das ist einfach das Beste, was mir je passiert ist. Ist es Montag, Freitag oder Sonntag? Es spielt einfach keine Rolle. Ich tue jeden Tag genau das, was mir Spaß macht. Auch wenn man arbeitet, weiß man genau für wie lange und vor allem wofür. Sieben Tage Klos putzen um danach vier Wochen zu reisen? Jederzeit! Warum auch nicht.
Außerdem war ich die letzten Monate in so vielen Kunstsammlungen: Adelaide, Brisbane, Melbourne und Christchurch (worüber ich später schreiben werde) und jede davon hatte ihren eigenen Charme. Allerdings verschwimmen im generellen Gedächtnis all diese zu einem großen Haufen Kunst und ich war mir sicher ich könnte es nicht mehr auseinanderstricken. Doch es geht. Es geht ganz einfach. Ich konzentrierte mich einfach nur auf den einzelnen Tag. Ich denke daran wie ich morgens aufgestanden bin, was es zum Frühstück gab, wie das Wetter war. Danach versuche ich daran zu denken, wie ich losgelaufen und angekommen bin, an das Gebäude und die Besonderheiten. Mit einem Schlag ist der Tag einfach wieder da, als wäre es gestern gewesen. Nicht so eine Erinnerungssuppe wie die meisten Tage zu Hause. Ich finde das irgendwie faszinierend, wie und was das menschliche Gehirn leistet. Was denkst du denn darüber? Kannst du dich besser erinnern, wenn du Tage komplett als Ganzes siehst? Willst du dich überhaupt an einzelne Tage erinnern?

Es war ein sonniger Tag. Der Himmel war so blau. Komplett im Gegensatz zum Tag davor, denn da war es komplett wolkig aber nicht kalt. Es gab Rührei mit schrecklichem englischem Weißbrot zum Frühstück. Brot ist keine Stärke der englischsprachigen Länder, in denen ich bisher war. Also wenn du gerne Bäcker sein möchtest, in Australien oder Neuseeland, wäre ich dir sehr dankbar und dein bester Kunde. Währenddessen schrieb ich einen Blogeintrag. Ich glaube, den über die Museen von Brisbane. Gegen Mittag ging es dann los. Raus in die Sonne. Raus ins Blaue. Nachdem ich den Hausflur des Hostels verließ, in dem es nach verschüttetem Bier von vor einigen Tagen roch, stieg mir die herrliche Note von frischem Kaffee und Croissants in die Nase. Ich hätte auch auf einer Straße in Paris flanieren können. Das wäre ähnlich gewesen. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Der D3 Haushalt meines Körpers erholte sich und stieg fast auf den medizinisch angegebenen Grenzwert. Vermutlich. Ich pfiff Der Himmel ist blau von Den Ärzten und hatte ein Lächeln im Gesicht. An der Straßenbahnstation angekommen, lächelte mich eine junge Dame in einem Kaffee an. Ich lächelte zurück und ging in das Café, um einen entkoffeinierten Long Black zu trinken. Ich wusste damals nicht was es war. Heute weiß ich, dass es der Name eines normal gebrühten Kaffees ist. Der Plausch mit der Kellnerin war sehr erhellend und der Kaffee hinterließ ein zauberhaftes Aroma in meinem Gaumen. Kurze Zeit später, der Kaffee war ausgetrunken, stieg ich in die ankommende Straßenbahn. Diese war natürlich kostenlos. Nicht an dieser Stelle, denn ich war schon außerhalb der "Free-Tram-Zone", aber das störte mich nicht. Ebenso war mir unklar, wo ich aussteigen muss, aber das wird sich alles ergeben. Genauso wie sich immer alles im Leben ergibt, wenn man es nur lässt. Vermutlich hatte ich zu diesem Moment exakt den selben Gedanken. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?
Nach ein paar Stationen war die Bahn wieder voller Menschen, aber das sollte mich heute nicht so sehr stören, wie am Tag zuvor. Denn das Leben war schön und ist es immer noch. Es standen Ordner an den zentralen Haltestellen, welche die Menschen in die Bahnen drückten und gegebenenfalls an eine andere Tür disponierten. An der zweiten Station wurde es mir zu viel und ich stieg aus. Warum auch nicht. Ich habe zwei gesunde Beine und kann schließlich laufen. Die Menschenmassen strömten an mir vorbei. Viele starrten auf ihr Telefon, viele ins Leere. Nur wenige schauten einem ins lächelnde Gesicht. Aber das ist okay. "Im Gegensatz zu Deutschland schauen dich wenigstens manche noch an", dachte ich bei mir. Ich drückte mich durch Menschen, welche die Auftaktveranstaltung der Formel 1 besuchten, auf meinem Weg zum NGV, der National Gallery of Victoria.

"Nicht mehr weit", wusste ich genau. Und schon stand ich vor einem Wasserfall, welcher den Eingang zum Museum markiert und Regenwasser vom Dach beinhaltete, vorbei an den Sicherheitsbeamten am Eingang, zur Garderobe und durch den Eingangsbereich, welcher extrem schön gestaltet war. Danach hinauf. Hinauf in den ersten Stock, wo die Ausstellung begann. Wieder, genau wie am Tag zuvor, waren in den Gebäuden keinerlei Menschen mehr. Man war allein, eingekapselt in einem schönen, ruhigen Ort, inmitten vom Lauten und Überfülltem, was jetzt nicht mehr zu einem durchdringen kann. Das Gefühl, das zu spüren, was ich gerade schrieb, war überwältigend. Die Klimaanlage tönte auf Hochtouren und ich zog trotz des warmen Tages meinen Pullover an, den ich natürlich mithatte, da ich schließlich aus den Fehlern der Vergangenheit (siehe Artikel des Museums in Brisbane) lernte. Die erste Ausstellung war über chinesische Kunst, welche mich eher nicht so vom Hocker riss, aber das war in diesem Moment egal. Die Ruhe übermannte mich. Es war einfach herrlich. Vorbei an vielen alten europäischen Gemälden, stieß ich auf Expressionisten und durfte zum ersten Mal einen Picasso begutachten, welcher wirklich nicht schön war.

Ganz im Gegensatz zu anderen expressionistischen Gemälden. Es gab Glasgefäße aus Sachsen und der Tschechischen Republik, durch die man sich sofort wieder ein bisschen näher an zu Hause versetzt fühlte. Danach rastete ich vor einem Gemälde, Ölfarbe auf Leinwand, welches ein Einwandererschiff bei der Einfahrt in den Hafen von Melbourne zeigte. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen und eigentlich ist es auch logisch. Die Einwanderungswelle startete ab zirka 1870, als in der Nähe Gold gefunden wurde und deshalb hatten alle Schiffe zumindest eine kleine Dampfmaschinen an Board. Das fand und finde ich völlig faszinierend, denn ich dachte früher immer an piratenschiffähnliche, ausschließlich mit Segeln betriebene Holzschiffe, wenn ich an die Einwanderung nach Australien oder Amerika dachte. Dem ist aber offensichtlich nicht so gewesen. Verdammt, das ist halt auch noch nicht wirklich lange her. Und da sagt einer, Museen bilden einen nicht weiter.
Übrigens waren die Räume wieder optimal beschriftet, eine Karte leitete mir den Weg und alles war strukturiert. Genau wie ich es mag und brauche.
Weiter ging´s in die nächste Etage über wunderschön gestaltete Brücken. Ich nenne es einfach mal Brücken, denn es ging nicht wirklich steil nach oben und man durfte die ganze Zeit beim Laufen tolle Gemälde begutachten. Ich freute mich die ganze Zeit auf die zeitgenössische Kunst, welche ich mir bis zum Schluss aufheben wollte und lief erstmal weiter entlang vorgegebener Wege.

Überall waren Kleider und ganz viel Mode ausgestellt, was mich ja mal überhaupt nicht reizt. Aber ich hatte Platz, mindestens zwanzig Quadratmeter Freiraum rings um mich. Andere begutachteten akribisch jedes Detail dieser Kleider und es lehrte mich wieder einmal, dass Geschmäcker immer verschieden sind und das ist auch gut. Deshalb ist es auch gut, dass unterschiedliche Sachen in den Museen ausgestellt werden um jeden Geschmack zufrieden zu stellen. Jeder darf und sollte sich weiterbilden können. Dann ging es auf, auf zur zeitgenössischen Kunst. Aber ich hatte natürlich wieder Erwartungen. Und wie ich selber genau weiß, machen Erwartungen vieles kaputt. Die Abteilung war winzig und es gab nicht viele coole Bilder. Aber dadurch ließ ich mir natürlich die Laune nicht verderben. Ab ins nächste Café, welches aussah wie eine Schiffskajüte und alles war schwarz weiß gefliest. Frisch gestärkt wusste ich, dass ich jetzt wieder fit genug war mich durch die Menschen draußen vor der Tür zu kämpfen. Ein kurzes Kopfnicken als Verabschiedung dieses wirklich schönen Ortes und auf in den Kampf. Die Motoren der Formel 1-Wagen dröhnten bereits als ich herauskam. Nichtsdestotrotz schaute ich mir das alles mal an. Wer weiß, ob man sowas wieder sieht. Aber das war mir dann doch mit zu vielen Menschen verbunden. Also schnell ins nächste Gebäude des Museums gestolpert, um wieder die Ruhe zu finden, die ich wollte. Da es nur noch eine Stunde bis zum Zeitpunkt war, an dem es geschlossen werden sollte, war ich komplett allein. Diese Ausstellung zeigte ausschließlich australische Künstler, was wunderbar war. Sonnenuntergänge, Meere, Schiffe, Buchstaben und Menschen zierten meinen Weg und boten mir alles, was einen hervorragenden Abschluss eines Kulturtages ausmachten.

Ich hielt ein paar kurze Gespräche mit den Ordnern vor Ort, denn meine gute Laune war nach wie vor ungebrochen. Museumstage sind mir die liebsten. Und ich hätte noch stundenlang weiter machen können. Allerdings machen diese um fünf zu, ob ich möchte oder eben nicht.

Und das war es auch schon wieder von meinen heutigen Ausführungen.
Schreib mir doch einfach mal wieder. Würde mich freuen.

Danke und liebe Grüße, sagt

Paulgoesworldwide.