Roadtrip durch Australien - Alpine National Park

Am nächsten Morgen war der Schrecken vom letzten Abend fast wieder vergessen. Eigentlich bereits nach dem Essen in der Nacht. Ich hörte die Wellen in nicht allzu weiter Entfernung rauschen. Die beiden anderen schliefen noch tief und fest, da sie noch deutlich länger wach waren als ich und auch noch ein paar Bier getrunken hatten. Ich ging direkt nach dem Essen ins Bett, da mir der Tag irgendwie zu anstrengend war. Mitfahren ist manchmal schwerer, als selbst zu fahren, wenn man dem Anderen nicht wirklich zutraut, es gut zu machen.
Ich wollte zum Meer, aber das war gar nicht so einfach, wie gedacht. Ich war mir noch nicht einmal sicher, in welche Richtung ich gehen sollte, da irgendwie auf beiden Seiten Meer war. Hinten und vorn. Unglaublicher Weise befanden wir uns auf einer Art Halbinsel.
Ich machte mich also auf den Weg in die vermutete Richtung. Es war kein Weg durch die buschigen Bäume zu erkennen. Nur eine große bewaldete Düne war direkt vor mir. Also kämpfte ich mich durch den sandigen Boden hinauf zum Gipfel dieses ominösen Hügels. Voller Vorfreude erreichte ich das Ende der Düne. Ich wusste, dass die Richtung stimmte, denn das Brechen der Wellen wurde lauter und lauter. Ich tat den letzten Schritt und stand: Vor der nächsten, noch größeren, Düne. Kein Ausblick bis jetzt. Ein wenig enttäuscht setzte ich meinen Weg fort und ohne Erwartungen erklomm ich die nächste und es eröffnete sich ein Blick über Kilometer eines komplett menschenleeren Strandes. Der Name des Ortes war Programm: 90 Mile Beach. Freudig rannte ich Richtung Wasser und starte meinen Morgen mit einem kleinen Nacktbad im Wasser, bevor ich mich auf den Weg Richtung Sonne machte.

Ich lief eine Stunde, vielleicht zwei, entlang des Strandes. Die Morgensonne brannte bereits über mir mit gleisender Kraft. Ich spürte den zerfließenden Sand durch meine Zehen gleiten und so konnten auch die Gedanken fließen. Ich hatte mal wieder Zeit für mich alleine und konnte nachdenken. Das tat mir wirklich gut.

Danach kehrte ich wieder zur kleinen Bagage zurück, wobei gegen 11 Uhr immer noch kein Lebenszeichen zu vernehmen war. Alle schliefen tief und fest. Also nahm ich mein kleines Buch, welches ich mithatte und las weiter. Ich war immer noch am Lesen von "Safari des Lebens", was mir schon einige Denkanstöße gegeben hat.

Gegen 1 erwachten die beiden Nasen dann und wir machten erst einmal ein kleines Frühstück.
Wie am Abend zuvor hatte unser neuer Freund leider nichts zu essen und wir fütterten ihn durch. Wie auch den ganzen Tag. Sowas finde ich immer irgendwie frech. Man muss definitiv nicht auf Kleinigkeiten achten, aber im Großen und Ganzen versuche ich immer, wenn ich etwas von anderen nehme, es im selben Maßstab wieder zurückzugeben. Nur so funktioniert eine gute kommunistische Gemeinschaft. Hier wieder Smiley des Vertrauens einfügen. Aber er nahm nur und nahm und gab nichts zurück. Das schlägt dann auch wieder etwas auf meine Stimmung. Allerdings sagte auch keiner von uns beiden etwas darüber zu ihm. Nur unter uns ließen wir uns darüber aus. Aber wie soll der Andere etwas ändern, wenn er gar nicht weiß was falsch ist? Man erwartet oft von anderen, dass sie ihre Fehler selbst erkennen. Das wird aber niemals passieren. Man kann nur besser werden, wenn die anderen ihre Probleme mit dir offenlegen, konstruktiv natürlich. Feedbackregeln beachten heißt das im Fachjargon, falls jemand darin Schulungen hatte. Wie ich zum Beispiel, aber ich lebe es trotzdem nicht. Also los. Sag mir doch bitte, was dich an mir stört. Damit ich weiß, was ich in meinem Verhalten ändern muss, damit ich ein besserer Mensch werde.
Aber Achtung, manchmal sehe ich das so gar nicht ein und rede dann einfach nicht mehr mit dir ;).

Unser Nachtlager

Danach gingen wir nochmal alle zusammen eine Runde am Strand spazieren, denn sie wollten ja schließlich auch nochmal das Meer begutachten. Also ging es erst so gegen drei mit der Fahrt los. Heute sollte es weit, weit hinein in den Alpine Nationalpark, gehen, aber vorher noch einen kleinen Stopp in Lake Entrence und an heißen Quellen machen. Also nichts wie los.
Über einen Highway ging es in zirka zwei Stunden zum ersten Punkt, an den wir wollten.
Dort machten wir kurz ein paar Fotos und gingen zum nächsten Strand, da unser polnischer Freund noch gerne ein wenig Surfen wollte. Das funktionierte leider nicht, da der Wind aus der falschen Richtung kam und die Wellen seinen Ansprüchen auch nicht genügten. Des Weiteren war es auch wirklich nicht so warm zu diesem Zeitpunkt. Deshalb machten wir nur eine kleine Pause um dann weiter zu fahren.

Danach planten wir den weiteren Weg. Wir wussten vorher noch nicht wirklich, wo es hingehen sollte. Der Plan war, glaube ich, weiter entlang der Küste zu fahren, was wir aber nicht taten, da der polnische Freund Bart davon überzeugte, auf den Mount Kosciuszko zu fahren. Der Berg lag noch zirka 300 Kilometer entfernt, was wir allerdings an diesem Tag definitiv nicht mehr schaffen würden, da es bereits fast um 6 Uhr abends war. Der Mount Kosciuszko war wichtig für die beiden, da er nach einem polnischem Botschafter in Australien benannt war und nicht viele andere Backpacker dort gewesen waren. Da kam vielleicht der polnische Nationalstolz durch.
Wir mussten uns erstmal mit Wasser und Benzin eindecken, da wir wussten, dass nach diesem Ort nicht mehr viele Ortschaften sein würden. Aber das dort nur Wildnis sein würde, dachte ich nicht. Das dachte keiner von uns. Also ging es los, über verschnörkelte Bergstraßen, welche sich die Gipfel hinaufwanden. Weit und breit kein Auto, außer unserem zu sehen. Nach einer Stunde erreichten wir, bereits im Dunkeln, heiße Quellen, in welche wir eigentlich noch springen wollten. Allerdings war es schon zu spät und wir fuhren weiter. Leider. Aber ich werde schon noch welche in Neuseeland treffen. Ganz sicher.

Als wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, begann das Niemandsland. Vor uns stand ein Schild, was uns weißmachen wollte, dass jetzt 180 Kilometer keine Tankstelle kommt, was für mich absolut wahnsinnig erschien."180 Kilometer???", dachte ich. Wie kann sowas sein? Dann wandelte sich die Straße in einen Feldweg in phänomenal schlechtem Zustand. Die kaputten Stoßdämpfer des Hyundai quiekten unter der Last der schlechten Straße. Die Höchstgeschwindigkeit, welche wir fahren konnten, war 30km/h. Die Australier bauten vor jeder Kurve eine Art Huckelpiste ein, damit man nicht einschläft oder so, bei der man jedes Mal dachte, dass das Auto auseinanderfällt. Außerdem hatte Bart keinerlei Erfahrung auf solchen Straßen, wie überall. Hier mal ein Bild vom nächsten Tag, damit du dir das ungefähr vorstellen kannst.

Es war in der Zwischenzeit stockfinster. Man konnte nichts, aber auch garnichts sehen. Die Kurven und die Steigungen verrieten aber, dass wir immer weiter ins Gebirge fuhren. Immer weiter nach oben.
Natürlich erwischte unser Freund auch erstmal wieder ein Känguru, wobei diesmal zum Glück wieder nichts passierte. Aber über sowas redet man dann gar nicht mehr. Das wird dann normal.
Nach zwei Stunden hatten wir uns nicht einmal 60 Kilometer bewegt, aber unser Freund fuhr und fuhr. Vermutlich wusste er, dass Bart folgen würde. Es ging weiter und weiter über diese Wege. Es war ein absolutes Abenteuer. Er fuhr an einem Campingplatz nach dem anderen vorbei, obwohl es anders abgesprochen war. Wie wir später herausfanden, wollte er am nächsten Tag noch 500km weiter, aber vorher noch unbedingt auf den Berg. Er hatte bereits ein Hotel gebucht, deswegen ließ er uns über die Entfernung im Dunkeln. Erst als wir ein Lichthupenkonzert veranstalteten, denn Handyempfang gab es hier natürlich nicht, hielt er an und informierte uns, dass er noch 30 Kilometer weiterwollte. Wir sollten uns dann in New South Wales befinden und nicht mehr in Victoria. Es war bereits 1 Uhr nachts.
Bart folgte wieder, denn er wollte unbedingt den Abend mit ihm verbringen. Das war eine der Eigenschaften, welche er eigentlich ablegen wollte Leuten - unter allen Umständen - hinterherzurennen ,wie er es früher tat. Er hatte keinen Zeitdruck, kein Ziel und wollte eigentlich seine Zeit auf der Straße genießen. Geld hatte er auch nicht zu viel und wollte sparen. Warum er dann soweit fuhr, war ihm wahrscheinlich auch nicht so richtig klar. Als ich ihn darauf hinwies, redete er erstmal nicht mehr mit mir. Um zwei Uhr nachts erreichten wir einen Campingplatz mitten im Nirgendwo und begannen erstmal zu kochen, denn wir hatten absolut nichts gegessen seit dem Frühstück. Ein wenig wütend und ein wenig aufgeregt wegen des Abenteuers, ging es für mich sofort nach dem Essen ins Bett. Ich ärgerte mich wirklich darüber, dass wir den schönen Gebirgszug, mit wahrscheinlich genialen Aussichten, im Dunkeln bewältigten. Das war meines Erachtens nach Verschwendung von Zeit und Benzin. Aber es geht nicht immer nur um mich.

Und das war es auch schon wieder, vom Abenteuer im Nirgendwo. 100 Kilometer sollten noch vor uns liegen auf diesen abgelegenen Pfaden.

Danke dir fürs Lesen und ganz viel Herz.

Paulgoesworldwide.