Ciao Melbourne - Der erste Tag auf dem Roadtrip

Es wurde gerade Abend. Die Sonne bewegte sich langsam Richtung Horizont und färbte den Himmel bereits in ein Hellrot. Später würde es tiefrot werden. Ich schlenderte vergnügt die Straßen hinauf. Ich war bereits abseits des Trubels und der viel begangenen Routen. Ich konnte atmen. Die Luft war gut hier. Verwunderlich für so eine große Stadt. Währenddessen klingelte mein Telefon. Es war Bart, mein polnischer Kumpel. Er fragte, ob ich noch in Melbourne wäre und ob wir es so machen, wie ausgemacht. Wir hatten vorher noch ein wenig kommuniziert und es war klar, dass er gerade zu dem Zeitpunkt in Melbourne ankommen würde, wenn meine Hotelbuchung zu Ende geht. Was für ein Zufall. Oder doch so gewollt? Wer weiß das schon.
Er wollte nicht mit dem Auto in die Innenstadt, denn er war noch ein absoluter Fahranfänger. Obwohl 28, ist er vorher noch nie Auto gefahren. Das hat man auch gemerkt, als ich mit ihm in den Bergen unterwegs war. Da ich sowieso der allerbeste Beifahrer der Welt bin, was ich wahrscheinlich von meiner Mutter geerbt habe und gerne Menschen erzähle, wie sie Autofahren sollen, würde es noch lustig werden. Vielleicht liegt meine Mitfahrphobie auch daran, dass ich selbst bis jetzt nur einen kleinen Auffahrunfall hatte (ich klopfe gerade auf Holz), aber zwei Unfälle, bei denen ich bei anderen mitgefahren bin. Bei einem wurde ich sogar mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Das war witzig. Ich wollte aus dem Fenster schauen, weil ich noch nie vorher mit so einem tollen Gerät geflogen bin. Da gibt der Arzt mir die volle Dröhnung und ich musste schlafen. Frechheit.
Aber es hat auch Vorteile. Ich bremse meist früher als Beifahrer, als es der Fahrer könnte und vielleicht hilft das manchmal. Vielleicht verbreitet es nur Unruhe, wer weiß. Ich denke, es hat auch etwas mit Vertrauen zu tun. Das fiel mir früher generell extrem schwer, jetzt nur noch ab und zu. Im gleichem Maße ist auch die Angst des Mitfahrens besser geworden. Allerdings bei Fahranfängern immer noch vorhanden. Ich weiß, ich treffe eine bewusste Entscheidung und steige in das Fahrzeug und lege somit die Verantwortung ab und kann, ab diesem Zeitpunkt, nur noch unterstützen. Oder am besten still sein, was schwerfällt. So ist es nun mal. Hätte ich etwas Anderes gewollt, hätte ich nicht einsteigen sollen. Ganz einfach.
Also würde ich morgen früh mit der Bahn aus der Stadt hinausfahren und ihn dort treffen. Ich freute mich bereits auf den Roadtrip, denn so etwas hatte ich noch nie vorher gemacht.

Die Hausfassade des "alten" Gemäuers, in dem das Hostel war, erstrahlte durch die untergehende Sonne in einem tiefen Rot. Ich öffnete die Tür und ging den Korridor entlang. Dort stand schon Josh, mein neuer Philosophie-Freund und ein neuer Zimmergenosse, dessen Namen ich leider nicht mehr weiß. Deswegen nennen wir ihn mal Jacques, aber wie gesagt, Namen sind Schall und Rauch und machen einen Menschen auch zu nichts anderem, als er ist. Er war Franzose, deswegen dieser komplett vorurteilsfreie Name. "Wollen wir noch was trinken gehen, wenn du uns morgen bereits verlässt?", war die generelle Frage im Raum. Was denkst du, was meine Antwort war?

Sekunden später fand ich mich schon auf der Straße wieder und wir schlenderten die Straßen entlang, diesmal zu dritt. Es war immer noch nicht wirklich kalt, was es umso schöner machte. Josh empfahl eine Sky Bar, Jacques und ich folgten. Das Bier war teuer. Die Aussicht aber unbezahlbar. Das ist es doch dann wert.

Danach ging es wieder runter, den Ausblick immer noch im Kopf. Wir trafen auf eine Bar/Kneipe/Disko/Was-auch-immer. Wir wollten Wein. Wein gab es keinen. Zumindest nicht dort. Wir wurden darauf hingewiesen, dass man gerne im anliegenden Spät-Shop für eine Kleinigkeit Wein kaufen könnte und man diesen dann direkt durch die Durchreiche in das Etablissement einschleusen dürfte, um ihn dort zu konsumieren. Gesagt getan, allerdings trotzdem verwirrt. Die Flasche Wein kostete die Hälfte von dem was das 0.33l Bier zuvor gekostet hat. Interessant und wieder was gesehen, was ich so noch nicht kannte.
Das war´s auch schon mit Melbourne, mit Josh und Jacques. Vorerst. Ich würde noch einmal wiederkommen, denn mein Flug wird in zirka einer Woche von hier gehen. Lange Umarmung und Tschüss. Hellooo, Roadtrip.

Am nächsten Morgen, kurz vorm Aufstehen, ging es los. Ich konnte keinen Kontakt zu Bart herstellen und so richtig sicher war ich mir immer noch nicht, ob wir uns finden und ob das wirklich so klappt. Aber man muss vertrauen haben, oder nicht?
Also ab in den Zug. Nach einer Stunde Fahrt musste ich aussteigen und irgendwie war ich wirklich bereits außerhalb der Stadt. Der Bahnhof sah aus wie Elsterwerda-Ost, winzig und ohne irgendeine Infrastruktur. Ich hatte auf Wifi gehofft, aber es gab keins. Deshalb erstmal auf die rechte Seite der Schienen gestellt und gewartet. Nach 20 Minuten kam mir das alles spanisch vor und deshalb bin ich einfach pauschal mal auf die andere Seite gelaufen. Just in diesem Moment kam Bart mit seinem wundervollen Gefährt angefahren. Wie es doch immer wieder klappt.
Und dann sollte die Fahrt losgehen. Allerdings ging es zuerst einmal zum Reifenhändler, da der fachmännische- oder auch nicht so fachmännische Blick zeigt, dass die Reifen einfach mal komplett ihr Lebensende erreicht hatten. Leider bekamen wir auch beim dritten Händler keine gebrauchten Reifen für das interessante KFZ. Deshalb ging es so weiter, was mein Vertrauen nicht sonderlich stärkte. Die weitere Fahrt ging zum Hafen und ich sah zum ersten Mal richtige Highways. So richtig richtige mit zehn Spuren oder mehr. Ich kam mir mal wieder vor wie bei Californication. Im Hintergrund die Stadt, links und rechts unzählige Autos und das Meer. Und die verzückenden Fahrkünste von Bart, der genau deswegen nicht in die Stadt fahren wollte. Aber die anderen nahmen Rücksicht und mein Herz blieb nur kurz stehen. Ich wusste ja sowieso nicht wohin ich schauen sollte, denn der Linksverkehr beim fahren war mir völlig fremd. Das war wieder mal was, an das man sich erst nach einigen Tagen gewöhnt, genauso wie mit dem laufen.
Erst dort angekommen erfuhr ich, dass Bart dort vorher in einem Café gearbeitet hatte und seinen Lohn abholen wollte, da er diesen nicht wie geplant überwiesen bekommen hat. Er erklärte mir, dass er dort zum Vorstellungsgespräch war und ein mündlicher Vertrag zwischen ihm und dem Manger ausgehandelt wurde. Er sollte 20 Dollar die Stunde bekommen, welche selbstverständlich versteuert werden sollten. Doch bevor er die Arbeit antrat, wechselte der Manager. Als er zum ersten Arbeitstag erschien wurde ihm nebenbei mitgeteilt, dass er ab jetzt schwarzarbeitet und nur 16$ bekommt und das cash. Danach hat er ein paar Wochen gearbeitet und er wurde beim Lohn immer wieder vertröstet, bis er aufhörte dort zu arbeiten. Danach versprachen sie ihm immer wieder das Geld zu überweisen, was sie nicht taten. "Was zum Teufel?", dachte ich bei mir. Welcher Manager macht so etwas? Es ergibt absolut keinen Sinn. Erstens kann es passieren, dass die unzufriedenen Bearbeiter die Steuerbehörde einschalten. Zweitens wird der Arbeiter versuchen in allen Backpackerforen, Google Maps oder auch Arbeitsagenturen schlechte Bewertungen zu hinterlassen, sodass die Kunden informiert werden und jeder freiwillige Arbeiter die Finger davonlässt. Drittens ist es menschlich einfach mal sowas von daneben. Ich kann das einfach nicht nachvollziehen, denn sowohl aus betriebswirtschaftlicher wie auch personeller Sicht ist das einfach Selbstmord. Aber angeblich versuchen das viele Arbeitgeber in Australien. In Neuseeland ist das aber anders.
Ich war währenddessen allerdings am Meer und habe mir eine schöne Zeit gemacht. Diese weltlichen Gedanken waren zu diesem Zeitpunkt absolut nicht in meiner Greifweite. Ich hatte das Meer jetzt schon wieder ein paar Tage nicht zu Gesicht bekommen und war hin und weg. Wellen, riesige Quallen, Kreuzfahrtschiffe, ein Kran und Stege kreisten durch meinen Kopf. Nicht die Rechte der arbeitenden Bevölkerung. Das mag jetzt hart klingen aber so war es.

Nach zirka einer Stunde kam Bart mit seinem Geld zurück. Puhh. Zum Glück - und wir setzten unsere Fahrt entlang der Küste fort. Wir wollten zuerst nach Brighton Beach und dann weiter nach Phillip Island. Du kannst dir das Ganze einfach auf der Karte anschauen.
Wir verfuhren uns ein paar Mal, denn er wollte nicht auf der Straße wenden, weil ihm das zu gefährlich war. Wir hielten außerdem an einem Buchladen um nach CD Rohlingen zu fragen, wobei ich vorher schon sagen konnte, dass es dort keine geben würde und liefen ein bisschen verwirrt durch eine Straße. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich, was ich von Bart halten sollte. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, das ist sicher. Aber ich war jetzt auf ihn angewiesen. Er konnte mich irgendwo in der Wildnis aussetzen und das Gefühl gefiel mir gar nicht. Es war alles unbegründet, aber es fiel mir dennoch schwer. Wieso erzähle ich dir später.
Aber dann waren wir wieder an einem wunderschönen Strand. Wir spazierten ein paar Kilometer, redeten und schauten uns die Wellen an, welche nicht gerade groß waren, da Melbourne in einer Bucht liegt. Wir waren hier, um uns die weltbekannten Hütten von Brighton Beach anzuschauen.

Früher war mal der komplette Strand voll, Kilometer um Kilometer, mit diesen kleinen Hütten. Allerdings entschied die Stadt irgendwann einmal, dass diese nur an diesem kleinen Strandstück stehen bleiben dürfen. Wieso so ein Hype darum gemacht wird, verstehe ich auch nicht. Ja, die sind schön. Ja, man hat eine Aussicht auf die Stadt und muss nicht weit fahren. Ja, so eine Hütte hier haben viele coole Hipster und Start-up-Millionäre, die gerne einmal einen Joint rauchen. Aber der Preis? Wir hatten das Glück gerade an einer Besichtigung für den Verkauf einer Hütte vorbei zu rauschen. Wir warteten also heimlich ab um den Makler dann mit Fragen zu überrumpeln und einen Blick hinein zu werfen. Drinnen sieht es aus wie in einer DDR-Wohnung 1952. Eine Küche, ein Tisch, kein Bett, denn schlafen darf man dort nicht. Dafür sind diese nicht gemacht, ließ uns der überhebliche Makler wissen, welcher uns natürlich auf die Nase binden musste, wie froh er sein kann, eine dieser Hütten zu verkaufen. Er hätte bereits ein Gebot von schlappen 356.000$ (zirka 200.000 Euro), aber das wäre ihm noch zu wenig, denn die letzten wären für knapp 400.000 weggegangen. Okay. Wow.
Ich musste schlucken und erstmal einen Purzelbaum im Sand machen, denn damit hätte ich nicht gerechnet. Es ist auf jeden Fall eine gute Geldanlage, denn noch vor zwei Jahren kosteten diese Hütten nur 200.000$, wurde uns nicht ganz so freundlich mitgeteilt, als er meine Reaktion sah. "Bis zur Meeresspiegelerhöhung", war meine Antwort darauf. Da ich es immer noch nicht fassen konnte, stellte ich ein paar Berechnungen an. Man bekommt für das Geld zum Beispiel ein luxuriöses Wohnmobil und kann sich einen Stellplatz direkt am Strand kaufen, ein Haus in Dresden mit mindestens 100 Quadratmetern oder man kann zirka sein halbes Leben Reisen. Oder sich eine Hütte kaufen.

Etwas baff, machten wir uns auf den Rückweg um die Reise fortzusetzen.
Aber dazu später mehr.
Danke dir. Danke dir wie verrückt, dass du nach wie vor Interesse an meinen Schreibergüssen zeigst und mein Leben begleitest.

Herzlichste Grüße,

Paulgoesworldwide.