Auf nach Halls Gap im Grampiens National Park

Und schon wieder war die Zeit des Abschieds gekommen. Wie so oft war dieser für meine Wegbegleiter schlimmer als für mich selbst. Nach einer Woche an einem Ort fühlte ich eine Art Lethargie. Ich hoffe du verstehst das nicht falsch, es ist schön irgendwo zu sein, wo man weiß, dass man respektiert und geliebt wird und das auf einen aufgepasst wird. Aber soweit bin und war ich noch nicht. Ich war sozusagen wieder in meiner Komfortzone angekommen, aber spürte den Ruf der Freiheit, den Drang Neues zu erleben und zu entdecken. Dort hielt ein vertrautes Gefühl der Gewissheit Einzug. Ich wusste, was mich die nächsten Tage erwarten würde, sollte ich noch länger bleiben. Aber wer immer das tut, was er schon kann, bleibt auch immer das, was er schon ist. Derzeit möchte ich mich aber weiterentwickeln, da ich ja genau aus diesem Grund losgezogen bin. Es ist immer gut an bestimmten Orten zu verharren, aber vielleicht nicht immer mit den gleichen Menschen beziehungsweise mit Menschen die Dinge ungefragt für dich tun. Das sollte man aber auch nicht als Undankbarkeit oder irgendetwas ähnliches verstehen. Dankbar war und bin ich auf jeden Fall für alles, was für mich getan wurde. Es war allerdings einfach an der Zeit für mich weiterzuziehen.
Am Busbahnhof angekommen, flossen ein paar Tränen, aber wie ich immer sage: Man wird sich wiedersehen. Irgendwo. Und die Menschen bleiben schließlich da, im Herzen und in den Erinnerungen.
Für mich begann ein neues Abenteuer. Mit dem Bus durch Australien. Nachdem wir die Stadt verlassen haben, gingen die Autobahnen langsam in normale Straßen über. Man benötigt bei 23 Millionen Menschen auf diesem riesigen Kontinent einfach keine großen Straßen außerhalb der Ballungszentren. Ich fühlte mich wie in einem Film, in dem Jugendliche einen Roadtrip durch Amerika starten, allerdings 1953. Dadurch, dass es keine Autobahnen gab, gab es die Orte mit Tankstelle, Motel und wahrscheinlich einem Stripclub, wie man es aus dem guten alten Amerika gewöhnt war. Zwischendrin hunderte Kilometer einfach nichts, außer Staub, verbrannte, gelbe Gräser und ab und zu einem Baum. Das muss Freiheit sein. Nach zwei Stunden stoppte der Bus irgendwo im Nirgendwo an einer Tankstelle. Fernbusse in Australien, von denen es nicht so sonderlich viele gibt, stoppen prinzipiell alle zwei Stunden. Ich weiß nicht wirklich warum, aber es scheint irgendetwas mit dem Arbeitsrecht zu tun zu haben.

Also konnte ich jetzt erstmal die Roadtrains beobachten, welche ich hier das erste Mal in großer Zahl erblickte. Wahnsinn - so große LKW. Vor allem fahren die hier genauso schnell wie normale Autos, was dem Verkehrsfluss sehr gut tut, allerdings auf mich ein wenig verstörend wirkt. Später habe ich es erlebt, dass man 100 km/h fährt, in den Rückspiegel schaut und dort plötzlich zwei riesige Lampen direkt im Kofferraum hängen, da der werte Genosse sehr gern etwas schneller fahren würde. Interessant.

Kurz darauf kamen wir in Horsham an, wo ich in den Zug umsteigen musste. Ich hatte ein wenig Angst, dass ich den Zug nicht finden würde, da ich nicht viel Zeit zum Umsteigen hatte. Doch dann zeigte sich, dass das völlig, aber auch völig unbegründet war.
Vom Bus zum Bahnhof waren es ein paar Hundert Meter, welche ich zügig zurücklegen konnte. Am Bahnhof angekommen, war dort einfach nichts außer ein altes verfallens Gebäude. Es sah aus wie ein Geisterbahnhof. Ich rechnete jeden Moment mit den Ghost Busters. Neben mir warteten zirka noch vier andere Leute, welche in den Zug wollten und einer, mit dem ich eine Weile plauderte, der nur hier war um den Zug und die Waggons zu sehen. Ich lernte, dass die Lokomotive von 1980war, die Waggons allerdings bereits aus den 1930er Jahren. Bei uns würde sowas also im Museum stehen und nicht mehr durch die Gegend fahren. Auch der Fahrplan ist ein absolutes Erlebnis. Der Zug verkehrt gigantische zweimal. Nicht am Tag, die Woche! Und wir beschweren uns über schlechte Zugverbindungen.

But there was no surveillance

Als der Zug eintraf, fragte ein netter Schaffner direkt vor dem Einsteigen nach den Fahrkarten und wies jedem seinen Platz zu, indem er die Menschen direkt dorthin führte. Hier wird Kundenservice noch großgeschrieben. Auch das Platzangebot war gigantisch. Ich fühlte mich wie ein Abenteurer im frühen neunzehnten Jahrhundert, der zum ersten Mal den Weg durch den Nahen Osten mit der Bagdadbahn auf sich nimmt. Die Waggons und Sitze waren wahrscheinlich die gleichen, nur das Wetter war eventuell ein wenig bombiger. Nein, natürlich weiß ich, dass die Deutschen die Bahn gebaut haben und wahrscheinlich Deutsche Eisenbahnen verwendet haben, falls du dich das gerade gefragt haben solltest. Wenn nicht, habe ich jetz eventuell dein geschichtliches Know-How wieder aufgefrischt.
Es ging nur eine Station weiter, nach Stawell, was Stall ausgesprochen wird, aber keiner weiß warum. Das ist eine alte Goldgräberstadt, denn auch in Australien gab es Ende des neunzehnten Jahrhunderts einen Goldrausch, was völlig neu für mich war. Dieser Ort hat übrigens zur Zeit immer noch eine aktive Goldmine, weshalb sogar ein paar Menschen hier wohnen.
Danach musste ich wieder umsteigen, in einen Bus, den mir Google angezeigt hat, der aber nicht auf dem Fahrplan stand. Nachdem ich etwas herumgefragt hatte, waren auch die Menschen der Meinung, dass ich leider den einzigen Bus nach Halls Gap, welcher heute fährt, verpasst habe. Kurze Verzweiflung setzte ein und ein Plan B musste her, welchen ich eigentlich immer habe und auch dort hatte. Im Notfall wollte ich versuchen zu laufen. Es waren zirka 25 Kilometer und wenn ich keine Lust mehr haben sollte versuchen zu trampen. Das ist hier nichts Ungewöhnliches im Gegensatz zu Deutschland.
Allerdings kam dann doch noch ein Bus, ein Schulbus. Voll mit jungen Schülern in Schuluniformen. Somit war ich mitten im australischen Leben angekommen. Die Busfahrt war der Hammer. Jedes Kind wird vor seinem Haus herausgelassen. Es muss keiner laufen. Sobald jemand aussteigt wird auch immer noch ein kurzer Plausch mit dem Busfahrer gehalten und sich dann verabschiedet."Good bye, Richie", tönte es am laufenden Band. Wenn ein Schüler an dem Tag nicht mitfährt, wird trotzdem an dem Punkt gehalten. Hier sind die Busfahrer noch nett und versuchen nicht junge Schulkinder zu verprügeln, weil sie mal ein wenig die große Klappe haben und gerade den Fahrausweis nicht rausholen wollen. Und falls ihr euch fragt wieso ich das hier schreibe: Das ist mir wirklich passiert.
Von Weitem konnte ich jetzt schon die Berge erblicken. Ein gigantischer Anblick nach einem Tag voll Steppe und nichts außer Staub. Der Busfahrer ließ mich natürlich auch direkt vor meiner Unterkunft heraus. Bin ja schließlich auch nur ein großes Kind.

Dort angekommen war das Erste was ich sah, folgendes Schild:

Und ja, die meinen das ernst. Das habe ich aber erst nachher herausgefunden. Ich begab mich in den nahegelegenen Supermarkt und konnte es kaum fassen. Als ich am örtlichen Sportplatz vorbeilief, war alles voller Kängurus. Soweit man sehen konnte, große, kleine, springende, aufrecht sitzende und herumwuselnde Kängurus.

Wieder zurück vom Einkauf begegnete ich drei europäischen Mädchen welche mich zum gemeinsamen Karten spielen und Wein trinken einluden. Außerdem besuchten wir nochmal die Kängurus. Welch tolle Geschöpfe. Es wurde ein lustiger Abend, welcher allerdings nicht zu lange gehen sollte, da ich am nächsten Tag früh raus wollte.

So, dass war es auch schon wieder. Ich komme einfach nicht voran mit meinen Tagen, da einfach so viel passiert. Ich möchte allerdings auch keine oberflächlichen Berichte schreiben, da ich es da auch einfach sein lassen kann. Was denkst du darüber?
Tut mir Leid, das du solange auf den nächsten Post warten musstest. ich war mitten im nirgendo im schönen Neuseeland und habe mein leben genossen und an meiner eigentlichen geschichte gefeilt. Zeitnah werde ich euch auch daran teilhaben lassen.

Danke dir für alles.
Liebe Grüße aus Hanmer Springs sagt,

Paulgoesworldwide.

P.S.: Die Karte ist wieder aktuell, damit kannst du sehen wo ich gerade bin.