Auf Abwegen - Wandern im Grampiens National Park

Ich traf am Morgen die Mädels wieder und ich wollte mir, wie immer, Zeit für die wichtigen Dinge im Leben nehmen und das sind nun mal die Menschen und auf gar keinen Fall Orte oder gar Sehenswürdigkeiten. Deshalb sollte man die kurze Zeit, die man mit netten Leuten verbringen darf, nutzen und sich auf keinen Fall selbst unter Druck setzen, nur weil man an diesem Tag irgendetwas anderes vor hatte. Deshalb ging es erst gegen zwölf Uhr auf große Wandertour. Da ich, wie immer, aus der Kalten heraus startete, also vorher weder mit jemandem über etwaige Routen sprach, noch eine lokale Karte besaß, verließ ich mich wie immer auf meine Offlinekarte und dort gab es sehr viele einladende Wege in Richtung Norden. Man konnte zuerst einer Straße folgen und dann direkt nach oben, auf die Berge, über einen kleinen, eingezeichneten Feldweg. Dort wird die Aussicht Klasse sein, dachte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Doch es würde anders kommen.
Ich startete also in die geplante Richtung. Am Anfang ging es entlang einer Straße bis diese sich zu einem Feldweg und dann zu einem Pfad durch die Hügel wandelte. Es war sehr heiß an dem Tag, deswegen hatte ich ein bisschen Angst vor Schlangen und anderem Getier. Essen und Trinken hatte ich natürlich eingepackt, sodass ich auf der sicheren Seite war. Wie immer. Ab und an hüpfte ein kleines und manchmal sogar ein mittelgroßes Känguru über den Weg, ebenso Schmetterlinge in jeder Geschmacksrichtung und Couleur. Komische, schwarze, aber glänzende Dinge, die etwas außerirdisch aussahen und von denen ich bis dahin noch keine Ahnung hatte, was es war, konnte ich auch erblicken. Später würde ich dann wissen, dass es sich um verbrannte Pflanzenreste handelte, welche Überbleibsel der riesigen Waldbrände waren, die hier wüteten.

Ich hatte zum Glück nur kurz Angst, gefressen zu werden

Darauf werde ich aber später nochmal eingehen. Eigentlich wunderschön. Doch an diesem Tag konnte ich es nicht so richtig genießen. Wieso? Ich wollte auf den blöden Berg und die Aussicht genießen und nicht bei 30 Grad durch die staubige Steppe laufen. Menschen traf ich natürlich auf dem ganzen Weg keine. Wer hätte das gedacht? Stutzig machte es mich aber trotzdem nicht, obwohl ich es an diesem langen Wochenende - in Australien war gerade Labour Day (Tag der Arbeit) - eigentlich lieber sein sollte. Ganz aufgeregt kam ich an der Abzweigung zum Berg an. Es gab sogar ein Schild, was darauf hindeutete, dass es hier hochgeht. Also nichts wie los. Springend bewegte ich mich den Berg hinauf. Aber was war das? Nach fünfhundert Metern war kein Weg mehr zu sehen. Da ich wirklich, wirklich dort hoch wollte, fing das Durchschlagstraining im australischen Busch an. Links, rechts, oben, unten suchte ich den Weg. Das einzige, was ich fand, waren allerdings Kängurus und meine Angst, von irgendwas hier im Unterholz dahingemeuchelt zu werden. Dieser Gedanke ist für Australien nicht sonderlich abwegig. Wie ich später aber herausfand, für diesen Ort schon, denn das Feuer hatte fast alle giftigen beziehungsweise größeren Tiere getötet. Richtig schrecklich eigentlich, für mich in dieser Situation aber eventuell ein Lebensretter. Richtig enttäuscht ging es dann wieder hinunter. Sofort suchte ich einen Platz, an dem ich aus Frust erstmal mein ganzes Essen vernichten konnte. Aber auch danach war der Frust noch groß. Man verliert sich viel zu schnell in seinen negativen Gedanken, wenn etwas nicht so geklappt hat, wie man es eigentlich wollte. Es fällt sehr schwer danach sofort wieder loszulassen. Ich war an einem der ruhigsten Orte, an denen ich je war. Es war schattiges Plätzchen, auf einem Stein, an dem ich mich vorher versichert hatte, dass dort keine Schlange lebt, unter großen Kiefern, nach denen es auch roch. Ich hatte einen einmaligen Ausblick auf die Berge und die verbrannten Bäume, welche majestätisch und fremd an der gegenüberliegenden Straßenseite dahinvegetierten. Natürlich sind Brände schlimm für die Menschen. Aber man muss sich immer bewusst machen, dass sie für die Natur neues Leben bringen und unglaublich wichtig für diese waren und immer noch sind. Trotzdem war der Frust noch da, wenn auch schon etwas besser. Danach versuchte ich zu zeichnen. Wer meine Skills darin nur im Entferntesten kennt, weiß wie schlecht sie sind. Und wer meine Skills nicht kennt, kann sich einfach nicht vorstellen, wie schlecht ich darin bin. Das ist eine der Gaben, welche bei der Ausschüttung dieser einfach an mir vorbei gefallen sind. Ist aber nicht schlimm. Dafür kann ich andere Sachen. Ich will es aber trotzdem ab und zu mal probieren, denn ich muss immer selber so lachen, wenn ich mir echt Mühe gebe, Zeit dafür nehme und es dann schlechter aussieht als bei einem Dreijährigen. Vielleicht, aber nur vielleicht, werde ich euch, oder dir ganz persönlich, meine Gemälde irgendwann einmal präsentieren.

Später machte ich mich auf den Rückweg. Ich vertrat die glorreiche Idee, die Straße zu benutzen, da es dort nicht so hüglig war und ich somit schneller zurückkommen sollte. Heute war der Tag der guten Ideen! Es kamen sehr viele Autos an mir vorbei und wirklich jedes einzelne staubte mich richtig schön ein. Aber ich war gewappnet. Ich sah aus wie Mad Max in der Wüste. Die Autos konnten mir nichts anhaben. Es sollte nur knapp drei Stunden dauern, was nicht schlecht für 17 Kilometer ist, und zirka hundert Autovorbeifahrten, bis ich wieder in meinem schönen kleinen Hostel angekommen war. Etwas vorweg: Am nächsten Tag machten die Besitzer, es waren zwei, Mutter und Tochter, das Hostel sauber und sie schauten mich die ganze Zeit komisch an. Irgendwann hielt es die Tochter nicht mehr aus und fragte: " Sind sie gestern die Straße hinuntergelaufen? Ja, oder?" Naja, nachdem sie ihre Mutter rief und beide herzlich lachten, entschuldigten sie sich, dass sie mich eingestaubt hatten, denn natürlich sind sie an mir vorbei gefahren und erzählten mir, dass sie das in all den Jahren, die sie hier sind, noch nicht gesehen haben. Ich bin halt immer für einen Lacher zu haben. Wir redeten dann noch eine ganze Weile und sie waren wirklich sehr, sehr nett. Aber meine Erkenntnis daraus war, dass Dorf halt immer Dorf bleibt.

So konnte ich den Tag nicht enden lassen. Ich brauchte noch ein Erfolgserlebnis. Ich hatte an diesem Tag das Gefühl, nach den dreißig Kilometern wandern, dass ich mir das verdient habe. Eigentlich sollte die Wanderung genug Erfolg sein, ich habe es immerhin heil zurückgeschafft und es war auch nicht wenig, doch manchmal falle ich halt in die erfolgsorientierte Denkweise zurück. Um ein wirklich glückliches Leben zu führen, denke ich, dass man davon wegmuss und mit den Sachen zufrieden sein sollte, die man hat und erlebt hat. Das klappt manchmal, aber nicht immer. So ist das halt im Leben. Ich muss halt auch noch viel, sehr viel, an mir arbeiten. Aber das ist gut, denn sonst würde es ja langweilig oder was denkst du?
Also ging es die drei Kilometer hoch auf den Gipfel, direkt hinter dem Hostel. Man konnte es also nicht wirklich Wanderung nennen, aber immerhin einen kleinen Spaziergang. Der Aufstieg war einfach, obwohl es die letzten Meter einfach quer über die Felsen ging. Aber das ist hier einfach so, denn Australier sind nicht so sicherheitsfanatisch wie wir Deutschen. Zu Hause wäre alles dreimal abgezäunt und gesichert. Es könnte ja eventuell jemand ausrutschen und den Berg hinunterfallen.
Ich hatte das, was ich wollte: Einen gigantischen Ausblick und eine wunderschöne Zeit auf dem Berg. Ich blieb ungefähr zwei Stunden dort oben und ließ den Tag Revue passieren.

Auf dem Rückweg passierte wieder etwas Interessantes und auch eigenartiges. Während ich fröhlich frohlockend den Weg hinuntersprang, erschreckte mich plötzlich ein Geräusch von vorn. Mir sofort klar, dass der Geräuschgeber mindestens genauso erschrocken von meinem plötzlichen auftauchen sein musste, wie ich. Ein großes Känguru stand 10 Meter vor mir auf dem Weg. Er hoppelte anschließend noch ein Stück auf mich zu und wir standen uns Auge um Auge gegenüber. Er konnte nicht weg, ich konnte nicht weg, denn es ging rechts neben uns einen Abhang hinunter und links einen steilen Felshang hinauf. Da hatten wir sie, die sogenannte Pattsituation. Zum Glück hatte keiner von uns einen Revolver dabei. Da ich hier fremd war und er offensichtlich einheimisch war klar, dass ich ein paar Meter zurücklaufen musste, bis ich den Weg verlassen konnte. Gesagt getan: umgedreht, gelaufen, ich hörte es hinter mir springen, wir waren einer Meinung, sehr gut. Ich verließ den Weg Richtung Felswand, was er erkannte und fröhlich an mir vorbeihüpfte. Die Entfernung betrug keine Armlänge. Ein kurzes Nicken, leider kein High-Five, aber ja, ich und Herr Känguru waren ein gutes Team.

Nach dieser kurzen, ungeplanten und sehr verwirrenden Verzögerung ging es zurück und glücklich und erschöpft ab ins Bett gehüpft.

Und damit war auch mein erster kompletter Tag in Halls Gap Geschichte. Eine 1400 Wort reiche Geschichte. Ich vermute ich werde niemals am heutigen Tag mit meinen Erzählungen ankommen. Aber was solls, oder? Hauptsache Spaß beim Lesen für dich und Übung für´s Schreiben für mich.

Danke. Feedback Willkommen. Wie immer!
Grüße aus der Ferne, heute aus Hanmer Springs in Canterbury, NZ sagt,

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