Adelaide Writers’ Week 2019
Und dann war es schon der nächste Tag. Wir planten bereits ganz früh, vor Sonnenaufgang, aufzustehen, um der Hitze des Tages zu entkommen und trotzdem eine Wanderung machen zu können. Also ging es halb 5 Uhr raus aus den Federn, um in den naheliegenden Belair "Stadtpark" zu fahren. Dieser Park war eher ein Nationalpark, denn er war riesig und es waren unglaublich viele Tiere darin zu finden. Die kühle Luft am Morgen war herrlich, obwohl ich wahrscheinlich auch im Stehen eingeschlafen wäre, wenn ich nicht gelaufen wäre. Wir sahen wieder Kängurus und viele Opossums oder Opossen, oder wie auch immer diese kleinen, Mader ähnlichen Tiere, in der Mehrzahl heißen mögen. Vielleicht Herbert. Oder Ulrike. Der Himmel war unglaublich schön. Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe und, wenn ja, ist es weil es einfach so unglaublich ist. Die Sterne sind tausendmal heller als in Europa. Das liegt daran, dass die Lichtverschmutzung hier einfach viel geringer ist. Alles strahlte und funkelte über mir in feinstem weiß. Auch der Mond scheint näher und heller und vor allem strukturierter zu sein. Man sieht jeden kleinen Krater. Die Milchstraße, welche ich in Deutschland vielleicht zweimal bewundern durfte, sieht man hier fast überall. Ich bin schon auf den Himmel in Neuseeland gespannt. Da soll es noch dunkler sein. Auch die Sterne an sich sind so spannend, da die Sternbilder, wie du ja weißt, nicht mit denen auf der Nordhalbkugel übereinstimmen. Das Markanteste hier ist wahrscheinlich das Kreuz des Südens, welches es auf die Flaggen von Neuseeland und Australien geschafft hat.
Zwei Stunden später waren wir dann wieder im Haus meines Freundes und ich hörte das erste Mal von der Writers´ Week und hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Das ist ein Side-Festival zum Adelaide Festival, bei dem es zwei Bühnen gibt, auf denen verschiedene Autoren ihre Werke vorstellen oder über aktuelle politische und zeitgeschichtliche Ereignisse sprechen. Natürlich kann man auch Bücher kaufen und mit vielen Leuten reden. Sofort danach machten wir uns auf dem Weg mit dem Zug, welcher ca. eine Stunde benötigte um dorthin zu gelangen. Da das Festival mitten im Zentrum war, konnte ich dieses zum ersten Mal bewundern. Adelaide ist wirklich schön. Es gibt überall Grünflächen, ja ein ganzer Grünflächengürtel umringt die Innenstadt. Wunderschön.
Auf dem Festivalgelände durfte ich mir zuerst etwas über das Kastensystem von Indien anhören. Dort wurde vor Jahrhunderten ein klassistisches Diskriminierungssystem eingeführt, was seines Gleichen sucht. Es gab noch weitere Vorträge darüber, wie man am Besten schreibt, was mir sehr geholfen hat. Zum Beispiel nehmen es Menschen mehr an, wenn man immer eine persönliche Geschichte präsentiert, als wenn man etwas pauschal berichtet. Das wusste ich natürlich bereits, aber es ist immer gut, sein Wissen noch einmal aufzufrischen. Danach ging es weiter mit Geschichten von einem pakistanischen Autor, welcher trotz zahlreicher Todesdrohungen und echten Problemen, weiterhin in Pakistan leben will und das Beste daraus machen wird. Das schlug sich auch auf seinen Erzählstil nieder. Ich erlebte lange nicht mehr so viel Galgenhumor wie von ihm. Respekt dafür.
Aber was mich persönlich am meisten mitgenommen hat, waren zwei Vorträge über den Aufstieg der Rechten in Australien und weltweit. Es ist einfach erschreckend, wenn man 16 000 Kilometer entfernt über die Vorfälle in Claußnitz, bei dem ein Flüchtlingsbus angegriffen wurde, hören muss. Die Tragweite dieser Vorfälle war mir vorher nicht bewusst und vor allem nicht, wie schlimm es um den Rechtsradikalismus in Deutschland gestellt ist. Die Menschen hier in Australien können sich solche Angriffe nicht vorstellen, obwohl sie sagen, dass es ein Problem mit rechten Tendenzen durchaus gibt. Man muss eben erst einmal weg von Zuhause, um die wirklich schlimmen Verhältnisse zu erkennen. Da gibt es nichts zu relativieren.
Auch konnten die amerikanischen und australischen Autoren ein positives Feedback ziehen und eine Lösung präsentieren, wie man mit den Problemen umgehen kann. Es wurde erläutert, dass durch diesen Aufstieg die "linke" Gegenbewegung, vor allem in Amerika, so groß wurde und gemeinsame Punkte finden konnte, damit der rechte Aufstieg gebremst werden kann. Nur die deutsche Autorin meinte, dass sie leider für unserer Land keine Lösung weiß. Die rechten Kräfte sind bereits zu stark. Und ich muss ihr da irgendwie recht geben. In allen sozialen Schichten und allen Teilen der Bevölkerung ist die Expertise vertreten, dass die Probleme mit den "Fremden" größer werden und das Land gefährden. Das Problem ist, dass die Einheimischen einfach nicht über die Ursachen nachdenken möchten, oder können, und versuchen eine einfache Lösung für ein absolut komplexes Thema zu finden. Es ist ein soziales Thema. Ich kann den Frust verstehen, den die Menschen haben. Das Realeinkommen sinkt immer weiter und ist für einen erzgebirgischen Spielzeugdreher schon existenzgefährdend. Wenn man mit dem Geld 1993 noch gut hinkam, kommt man es jetzt nicht mehr. Natürlich nicht, denn alles wird teurer. Die Menschen versuchen dann die naheliegendste Lösung zu finden, die ihnen einfällt. Das Einzige was sie sehen sind die zwei neuen "Schwarzen" im Dorf. "Die waren doch 1993 noch nicht da. Das muss doch an denen liegen, dass es mir so schlecht geht." Dass es die Banken sind, der Lobbyismus, die Elite, für die die Politik gemacht wird, da sie mehr Einfluss als alle anderen auf die Menschen haben, will keiner sehen oder verstehen, da es zu kompliziert wäre. Auch das die Politik, auch Europaweit, über die Menschen hinwegregiert, siehe Artikel 13 in der EU, verschärft dieses Problem nur.
Das schlimmste an der Sache ist, dass die Rechtspopulisten die neoliberale Politik noch verschärfen werden und es den Menschen danach noch schlechter gehen wird. Wenn man sich die Geldflüsse der AFD anschaut und sieht welche Firmen dahinter stehen, wird das Problem eindeutig sichtbar. Aber ja. Das Stimmvieh schaufelt sich sein eigenes Grab. Das war leider schon immer so. Ich habe dafür auch keine Lösung parat, außer dass man vielleicht sein Denken ändern sollte. Nicht wir gegen die sondern eher gemeinsam für eine bessere Welt. Meines Erachtens nach gibt es keine Fremden. Alle Menschen sind nun mal einfach gleich! Ich denke, dieses Wir-und-Die-Denken ermöglicht erst solche schlimmen Sachen wie in Christchurch, wo ich mich gerade befinde. Aber über die Stimmung hier werde ich später berichten. Ich bin sehr gespannt, ob wir einen AFD Ministerpräsidenten in Sachsen bekommen werden. Wenn ja, möchte ich definitiv nicht mehr zurück. Was denkst du darüber? Hast du auch Angst vorm Aufstieg der Rechten oder eher vor dem Fremden?
Wie immer freue ich mich über jegliches Feedback.
Danke dir fürs Lesen!
Liebe Grüße aus Christchurch, sagt
Paul.