Adelaide - Die Festivalhauptstadt und das Wiedersehen mit alten Bekannten
Und so schnell wie es begann, war die Zeit in Brisbane auch schon vorbei. Ich machte mich also auf den Weg zum Flughafen um meine Reise nach Adelaide anzutreten. Dort wollte ich meinen alten bekannten Darryl treffen. Diesen hatte ich vor einem halben Jahr auf dem Jakobsweg in Spanien getroffen und er hat mich damals bereits zu sich nach Hause eingeladen um dort eine Weile zu bleiben um Zeit mit ihm und seiner Frau zu verbringen. Beide sind knapp 70 und er kommt ursprünglich aus Neuseeland, hat eine Zeit in England gewohnt, wo es ihm jedoch zu kalt wurde, weshalb es wieder zurück in die südliche Hemisphäre ging. Eigentlich wollte ich per Bus oder Bahn dorthin gelangen, aber es sind immerhin fast 2000 Kilometer. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Bundesstaaten innerhalb Australiens sind leider katastrophal. Deshalb musste ich meine Umweltbilanz, einmal mehr, durch den Flug verschlechtern. Für Leute die es nicht wissen: Das Flugzeug ist nach dem Auto das umweltschädlichste Verkehrsmittel. Dafür war der Flughafen in Brisbane viel größer als gedacht und ich konnte mich wieder herrlich mit Starts und Landungen befassen. Ich liebe Flughäfen einfach und könnte dort auch mal ein paar Tage verbringen.
Nichtsdestotrotz stieg ich in den Flieger und erreichte Adelaide in weniger als zwei Stunden.
Mein Freund wartete schon ganz aufgeregt am Flughafen auf mich. Auch mal was komplett Neues. Ich wurde bis jetzt noch nie am Flughafen abgeholt. Stressfreier ist es auf jeden Fall so, aber auch in gewissen Maße irgendwie schräg. Warum genau kann ich euch aber auch nicht sagen. Ich denke, dass ich einfach meine Freiheiten haben und niemanden zur Last fallen, beziehungsweise auf jemanden angewiesen, sein will.
Darryl freute sich wie ein Schneekönig mich wieder zu sehen. Wir hatten in Spanien viele spannende Gespräche über das Leben, die Vergangenheit und unsere Eltern, was ihn sehr geprägt hat. Natürlich freute ich mich auch, wobei ich nicht genau wusste ob es mir nicht bei Zeiten eventuell zu viel werden würde, da man ja wieder in einer gewissen Komfortzone angekommen ist. Der Gedanke, dass ich aber jederzeit wieder gehen kann entspannte mich in der Hinsicht.
Es waren 41°C, was allerdings schlimmer klingt als es war. Es ist eine sehr trockene Hitze, obwohl der Ort am Meer liegt und somit war es nur halb so schlimm. Außerdem startete ich in Brisbane bei 16°C, was mir eindeutig zu kalt war.
Er wollte mir gleich die Stadt zeigen und den Strand an dem er später, wenn es nicht mehr so warm ist, eine Wanderung geplant hat. Ich bin, wie du ja sicherlich bereits gemerkt hast, eher nicht so der Fan von Planungen im Urlaub aber ich kann mich dann natürlich anpassen. Und ich denke eine gewisse Routine ist natürlich auch immer wichtig, vor allem im Alter.
Der Strand war wunderschön und komplett anders als in Brisbane. Das Wasser hat eine Farbe, welche mich an unbekannte karibische Welten erinnerte: Grünblau und keinerlei Wellen. Es roch nach Strand, ein wenig fischig, Hitze, Meer und Urlaub.
Nach einem kurzen Spaziergang ging es auch schon zurück zum Auto und ab in Richtung seines Hauses, meiner neuen Zwischenheimat. Zum ersten Mal erlebte ich den Linksverkehr live aus einem Auto. Zu dieser Zeit war das noch völlig verwirrend für mich, jetzt könnte ich auch hier fahren. Entlang gelber Grasflächen und natürlich vieler Eukalyptusbäume ging es hinauf in die Berge von Adelaide, wo er wohnte. Dort angekommen sah ich zum ersten Mal ein typisch australisches Haus. Es war riesig mit einem tollen Garten, in dem ich die nächste Zeit viele Stunden verbringen sollte.
Um die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen, gab es zum Abendbrot viel Bier, tolle Gespräche und spanisches Essen.
Zum ersten Mal seit zwei Wochen hatte ich auch wieder ein eigenes Zimmer und ein großes Bett für mich allein. Für viele Menschen mag das die Erfüllung nach den Tagen in einer Gemeinschaftsunterkunft sein, ich dagegen fühle mich dann immer ein wenig leer. Das ist wie vom Jakobsweg nach Hause zu kommen und plötzlich niemand mehr neben einem schnarcht. Das fühlt sich dann irgendwie komisch an. Ich denke, ich sollte auch lieber in einer WG Leben als alleine, wobei das für mich früher nie eine Option war. Immer wenn ich mit Menschen zusammengelebt habe, war es nicht meine Entscheidung und deshalb war ich unglücklich. Das lag aber ausschließlich an mir selbst, wie so oft im Leben. Jetzt bin ich aber definitiv bereit dafür.
Am nächsten Morgen konnte ich ausschlafen. Das tat wirklich gut und ich hatte ein eigenes Badezimmer für mich. Der pure Luxus, aber nicht wirklich notwendig zum Glücklichsein. Heute war ich zum Lunch mit Freunden von ihm, welche er an der Universität kennengelernt hat, eingeladen worden. Einfach so. Das hat mich mal wieder fasziniert. Es sollte nach Encounter Bay, von den Einheimischen auch gern Ebay genannt, gehen. Hier kannst du dir den Weg anschauen. Wir fuhren mit dem Auto dort hin. Darryls Freund und seine Frau kamen auch mit. Als der Freund in der Wohnung ankam legte er erst einmal ein Exemplar seines neuen Buches, welches am selben Tag veröffentlicht wurde, für jeden seiner Freunde, auf den Tisch. Natürlich wurde es erstmal signiert und von allen kritisch unter die Lupe genommen. Es geht um die Geschichte von Indien während des zweiten Weltkrieges. Wie ich später erfahren sollte, hat jeder den ich an diesem Tag treffen würde, ein Buch über Geschichte aus irgendeinem Teil der Welt geschrieben. Klar. Logisch. Wieso auch nicht.
Die Autofahrt war super dorthin. Es ging vorbei an Wäldern, durch gelbe Täler bis ans Meer. Es war für mich alles so faszinierend, denn die Welt sieht hier so anders aus. Und ich sah mein erstes Känguru. Ich war so aufgeregt und schrie, dass wir anhalten müssen, was natürlich auch prompt umgesetzt wurde. Ich freute mich wie ein kleines Kind und machte viele Fotos. Aus jetziger Sicht betrachtet ist das so lustig, denn ich glaube, ich habe in der Zwischenzeit tausend Kängurus gesehen, eins gestreichelt, mit einem ein Selfie gemacht, mit einem anderen den Weg geteilt und dabei abgeklatscht und eins unglücklicherweise überfahren. Aber diese Geschichten kommen später. Um eins zu sagen: Australien ist voll von Kängurus und anderen tollen Tieren. Es ist schwer keins zu sehen.
Und schon war ich in Ebay angekommen. Es war ein Haus auf einem kleinen Hügel welches, wie ich später erfahren habe, das Zweithaus der Familie ist. Der Gastgeber war ein Australier. Natürlich hat er aber in Deutschland studiert und sprach fließend deutsch. Er freute sich mal wieder in der Sprache zu sprechen. Die Aussicht vom Balkon und aus der gesamten Wohnung war unglaublich. Hier will ich leben!
Es gab leckeres Fingerfood mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert, und im Gegensatz zu Deutschland wurde es in einem ungezwungenen Ambiente serviert. Auch ein wenig Wein durfte ich verköstigen. Man saß nicht am Tisch, jeder konnte nehmen was er wollte und man aß im Stehen, auf dem Balkon oder auf der Couch. Das gefällt mir viel besser als das gezwungene Deutsche, Regelorientierte. Obwohl der Altersdurschnitt nicht wirklich jung war sahen alle Gäste, es waren glaube ich knapp zehn, relativ jung aus. Man trägt hier mit 70 noch Hawaii-hemden und Shorts, sowie den obligatorischen coolen Hut. Die Gespräche waren nett und mein Englisch war auch wieder auf einem annehmbaren Maß angekommen. Dadurch dass ich die Tage davor so viel in deutsch schrieb, dachte ich auch noch in Deutsch. Das änderte sich aber in dieser Woche und somit wurde meine Fremdsprache auch wieder viel besser. Wenn man denkt, übersetzt man und wenn man übersetzt, kommt nur Mist dabei heraus. Ich bin jetzt schon wieder soweit, dass ich in Englisch träume. YAY!
Nach dem Essen wollten wir an den nahegelegenen Strand schwimmen gehen. Allerdings hatte Darryl dann auf einmal keine Lust mehr und ich wollte alleine gehen. Dann suchte er Gründe warum ich das nicht tun soll, zum Beispiel weil ich Wein getrunken hatte. Ich hasse es wenn mir jemand sagt was ich zu tun und zu lassen habe, denn ich bin ein freier Mensch in dieser Hinsicht. Deshalb reagierte ich auch sehr gereizt. Aber ich verstehe nicht wirklich wieso das so ist. Ich kann selbst bestimmen was ich tun möchte und solange es keinen Andren in seiner Freiheit einschränkt auch tun. Das schräge an der Geschichte ist, dass ich zu Hause bei solchen Sachen viel gelassener reagiere als hier. Ist das weil ich auf die Menschen angewiesen bin? Kann ich nur schwer vertrauen? Oder will ich niemanden das Leben schwerer machen? Kann man nicht durch reden alles lösen? Und im Notfall gibt es doch immer die Exit Strategie, oder? Ich weiß es im Moment nicht. Falls du eine Antwort hast, scheue dich nicht davor, sie mir mitzuteilen.
Nichtsdestotrotz waren wir dann schwimmen. Es war wunderschön. Immer noch über vierzig Grad, tolle Wellen, keine Menschenseele und natürlich das Meer. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es solche schönen Strände gibt. Es war der Hammer.
Nachdem es zurück zum Haus ging und es noch ein paar Wein gab brachen wir auch wieder Richtung Adelaide auf. Was für schöne Tage, in denen ich auch wieder viel über mich selbst lernen durfte.
Danke fürs Lesen und liebe Grüße.
Paule.